Conrath/Kreißler
Werke
Badische Revolution
Gedenkstätte Kämpfer der Badischen Revolution
Entwurfsbeschreibung (nicht ausgeführt)
Wir schlagen vor, das aus der Zeit gefallene monumentale Denkmal Wilhelm I. durch eine dem natürlichen Zeitfluss entsprechende Form zu parallelisieren; es also durch die erzählte Erinnerung für die Gegenwart zu spiegeln.
Dazu soll der Sockel des bestehenden Denkmals mit einer Hecke aus Buchsbaum oder Eiben in Volumen, Proportionen und Abmessungen dupliziert werden. Diese durch Formschnitt modellierte Pflanzung wird ca. 15 m stadteinwärts axial verschoben und vor die Reiterfigur Wilhelm I. platziert. Sie ist immergrün. Ihre Referenzierung in die Romantik als historischem Ursprung der deutschen Revolution ist beabsichtigt. In der Hecke sind auf jeder Seite nicht sichtbare Bewegungsmelder angebracht, die vier akustische Wiedergabegeräte schalten. Zu hören sind bei Annäherung jeweils etwa 1 min dauernde, gesprochene Texte. Diese können sowohl nacheinander abgerufen werden, als auch – durch mehrere Personen vor Ort – gleichzeitig. Die Textinhalte betreffen den Anlass des Denkmals, die Namen der Hingerichteten, Zitate von Revolutionären und Gegenrevolutionären sowie Texte aus aktuellen Interviews mit Karlsruher BürgerInnen. In der Vielfalt, Argumentation und Widersprüchlichkeit der Aussagen werden die authentischen Zitate zum Bestandteil einer „oral history“. Drei Seiten sollen mit wechselnden Zitaten bestückt werden, auf der vierten, der zum Wilhelm-Denkmal weisenden Kopfseite ist ausschließlich der Text zum Anlass des Denkmals zu hören:
Auf Betreiben des badischen Großherzogs Leopold und unter dem Kommando des Prinzen Wilhelm von Preußen - des späteren Kaisers Wilhelm I. - schlugen Truppen des Deutschen Bundes unter dem Oberbefehl des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1849 die demokratische Revolution in Baden und der Pfalz nieder. In der Folge wurden in Baden in den Städten Freiburg, Mannheim und Rastatt 27 Freiheitskämpfer standrechtlich erschossen. Dies waren: Gottfried BAUER, Karl BERNIGAU, Ernst BIEDENFELD, Georg BÖHNING, Andreas COUNIS, Gottlieb Heinrich DIETZ, Maximilian DORTU, Ernst ELSENHANS, Josef GÜNTHARD, Konrad HEILIG, Karl HÖFER, Karl JAKOBI, Peter JÄGER, Josef JANSEN, Josef KILMARX, Ludwig KOHLENBECKER, Gebhard KROMER, Peter LACHER, Konrad LENZINGER, Theophil MNIEWSKY, Friedrich NEFF, Ludwig Peter Wilhelm SCHADE, Friedrich Wilhelm SCHRADER, Valentin STREUBER, Gustav Nikolaus TIEDEMANN, Wilhelm Adolf von TRÜTZSCHLER und Philipp ZENTHÖFER.
boten
Die Video-Fotoinstallation <boten> erzählt von der 120jährigen Geschichte einer Landschaft 25 km westlich von Berlin. Vor dem Hintergrund verschiedener Nutzungen und Nutzer sowie unterschiedlicher ideologischer Modelle wird die Konversion des Truppenübungsplatzes Döberitz (1896–1994) zyklisch kartografiert: Was verbindet das Olympische Dorf von 1936 beispielsweise mit einer Infanterieschule, ein Naturschutzgelände mit Panzerminen oder eine Neubausiedlung mit Bodenkontamination?
Die dazu im Zug einer Langzeitdokumentation entdeckten Hinweise profilieren ein in der öffentlichen Wahrnehmung unbekanntes Niemandsland und erörtern seine historische Verwandlung mit künstlerischen Mitteln. Dabei kommt einer vergleichenden oder synoptischen Präsentation der Dokumentationen eine entscheidende Bedeutung zu. Die Auswahl aus der umfänglichen Fotodokumentation umfasst 100 Fotos des Geländes und von Gebäuden darauf.
In einem vierfachen Zwei-Kanal-Loop, aufgezeichnet aus dem Auto heraus (senkrecht zur Fahrtrichtung) tastete die Video-Kamera über Jahre hinweg den Bestand an Gebäuden und Bewuchs entlang vieler Fahrten auf der B5 zwischen Elstal und Dallgow auf. Während auf dem im ersten Loop montierten Sequenzen nur Jahreszeiten, Licht und Bewuchsdichte wechseln, tauchen in der zweiten und dritten Montage immer häufiger historische Fotos und Filmausschnitte dort auf, wo ihre Aufnahmen ursprünglich entstanden sind. Im vierten Loop, der nachts gefahren wurde, offenbart sich die fiktionale (und ideologische) Perspektive des Historischen. Jeder Loop ist ca. 7:30 min lang. Das Video läuft als Endlosprojektion mit Ton.
http://www.mc-mk.de/projects/boten/index.html
Engler-Bunte-Institut
Über Reste (nicht ausgeführt)
Stroh stellte jahrhundertelang ein landwirtschaftliches Restprodukt dar, das mit nur geringen Nutzen 
weiter zu verwerten war. Es wurde als Streu, zur Wärmedämmung, als Filter, für Matten, Hüte, Malotten oder Strohhalme verwendet, aber all diese Verwendungen stellen mehr oder weniger Notlösungen dar. Seit der Erfindung von Kunststoffen spielte Stroh kaum mehr eine wirtschaftliche Rolle.
Mit der Option, dieses Material auf sein energetisches Potenzial zu untersuchen und zu verwenden, wertet das Engler-Bunte-Institut in Karlsruhe also ein eher ungeliebtes Restprodukt auf und begegnet der lang anhaltenden, praktischen Hilflosigkeit mit wissenschaftlichem Engagement. Das entspricht sowohl dem Zeitgeist, als auch der Notwendigkeit, Produkte menschlicher Arbeit zyklisch und nachhaltig zu verwerten.
Unsere skulpturale Installation „Über Reste“ parallelisiert eine solche Aufwertung in zweierlei Hinsicht ikonografisch: Ein großer, gewickelter Strohballen wird in Bronze gegossen, mit analytischem Ansatz einseitig geöffnet, gesockelt und in einer urbanen Umgebung paradox kontextualisiert. Er wird auf der Spitze einer flachen Pyramide inszeniert. Ihn umgeben nachwachsende Gräser, deren natürliche gelbe Färbung zwar eine Ähnlichkeit mit der Skulptur herstellen, die aber im weiteren gärtnerischen Raum keine Entsprechung findet. Die Installation ist gleichermaßen artifiziell wie natürlich und erinnert nicht zuletzt an Strohballen auf einem abgemähten Feld.
Die analytische Öffnung des Bronzekörpers besteht aus einem mächtigen metrischen Innengewinde, das nur von der Blickseite des Institutes zu sehen ist. Vom übrigen Universitätsgelände ist es nicht einsehbar. Die Skulptur ist mit dieser Öffnung leicht zum Haupteingang hin gedreht und geneigt, so dass auf der Spitze der Pyramide eine Anmutung leichter Instabilität entsteht und der Strohballen ohne großen Aufwand gedanklich ins Rollen zu bringen wäre. Das Material der Skulptur, Aluminiumbronze, ist hell strohgelb.
Abgewandt vom Institut wird auf der Südseite der Pyramide unter der Skulptur ein Schatten der Skulptur als materialisierte Form zu sehen sein. Sie wird aus poliertem Edelstahl gefertigt und befindet sich in einer Position, an der unter natürlichen Bedingungen kein Schatten erscheinen würde. Dieser „spiegelnde und fiktive“ Schatten nimmt aber reale Reflexe der Umgebung auf und verändert den Kontext der Installation entsprechend der Tages- und Jahreszeiten und im Bezug zu Standpunkten der Betrachtung. Die Paradoxie der Wahrnehmung – „was ist wann wie oder warum nicht?“ –, mit der sich unsere künstlerische Frage in „Über Reste“ grundsätzlich befasst, bleibt also dauerhaft erhalten.
Gemeinsam in die Zukunft
In „Immer wieder Zukunft; das Grossvaterparadoxon“ wetteifern Wahlparolen aus sechs Jahrzehnten BRD und DDR medial miteinander. Auf drei synchronisierten Video-Kanälen dokumentiert eine Montage der unterschiedlichsten Positionen den Mechanismus politischer Argumentation in Deutschland: sie ist zeitlos ungenau und dabei vorhersagbar repetitiv.

Die mangelnde Trennschärfe der Parolen ermöglicht aber die Vision eines rhythmischen, gesamtdeutschen Fließtextes als präzise Choreografie für den ferngesteuerten Reigen Untoter.

Eine vergleichende Auswahl von knapp 300 historischen deutschen Wahlplakatmotiven en miniature umschließen – thematisch geordnet – den Raum. Ein instabiles Großbanner – 4 x 52 m – verweist auf den am häufigsten gebrauchten Bestandteil deutscher Wahlkampfparolen überhaupt: den Begriff „Freiheit“.

Zeitgleich zu dieser Installation im Frankfurter Kunstverein wurden im Innenstadtraum Frankfurt die parteipolitischen Plakate zur Bundestagswahl 2009 ikonografisch ergänzt durch solche, die, statistisch ermittelt, über 60 Jahre hinweg, Wahlkampfparolen anhand der am häufigsten gebrauchten Begriffe, den Farben und den typografischen Merkmalen in Deutschlands Wahlkampfparolen präsentierten.
http://www.mc-mk.de/projects/grossvater/index.html
Das (beinahe) fliegende Klassenzimmer
Angesichts der wenig variablen räumlichen Verhältnisse, der überkommenen Ausstattung an 
Mobiliar sowie der etatbedingt frostigen Situation des Herder-Gymnasiums in Lichtenberg wäre es wünschenswert gewesen, für die Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Kunst-am-Bau Wettbewerbs emotional inspirierende und intellektuell anregende Situationen nicht nur symbolisch sondern auch tatsächlich schaffen zu können. Allein, dafür fehlen die finanziellen Mittel. So wurden die in der Ausschreibung zur Verfügung gestellten wenigstens beispielhaft verwendet, um für ein Klassenzimmer (das von der Schule zu bestimmen wäre) eine modellhafte Grundausstattung und Gestaltung zur Verfügung zu stellen.
Die Gesamtgestaltung sieht dafür folgende Elemente vor:
1. Das Mobiliar. Das vorhandene, alte wird ersetzt durch drei runde, teilbare (ø 160 x 72 cm) und acht wellenförmige Tische (160 x 80 x 72 cm; beides: Modell SoooRounD in blau und weiß mit je zwei Rollen), die puzzleähnlich in vielgestaltigen Formationen miteinander kombinierbar sind (siehe Grundrisse). Bis zu 30 Schülerinnen und Schüler finden so Platz. 30 stabile, stapelbare Formholzstühle (45,5 x 83 x 50 cm, Sitzhöhe 44,5 cm) in neun verschiedenen Farben (Modell Akzent) komplettieren die Einrichtung. Die vorhandene Tafel wird ersetzt durch eine mehrfarbige. Das neue Mobiliar ist für den Schulgebrauch geeignet und ist stabil und strapazierfähig konstruiert.
2. Die Wände und die Decke. Die beiden kopfseitigen Wände (5,6 x 3 m) sowie die Seitenwand zum Flur (4,5 x 3 m) werden mit bedruckten Tapeten ganzflächig gestaltet. Als Grundmotive finden sich perspektivische Außendarstellungen des Baukörpers der Schule, die mit onomatopoetischen Begriffen, Autoantonymen, Elementen aus der Jugendsprache, aus Comics, Graffitis, SMS-Kurznachrichten sowie allgemeinen Hinweistafeln ergänzt werden. Hierfür wurden fiktive Dialogsituationen gewählt, die sowohl die Positionen der Schülerinnen und Schüler als auch die der Lehrerinnen und Lehrer wiedergeben. Miteinander verschränkt, entsteht so ein Bild, in dem Außen und Innen, öffentlicher Raum und Klassenzimmer, Lehre und Kommentar einander bedingen und fortschreiben. Einzelne Elemente, welche die Begrenzung einer Wandfläche überragen, werden malerisch an der Decke fortgesetzt. Die im Plan gezeigte Wandbildfassung versteht sich beispielhaft als Entwurf, nicht als bereits fertige Werkzeichnung.
Die Wand zum Flur erhält vor dem Tapezieren einen vollflächigen Anstrich mit einer Farbe 
(MagPaint, Zulassung nach EN71-3 auch für Kinderspielzeug), welche die Wandfläche auch nach 
dem Tapezieren magnetisch nutzbar macht. So können sowohl die Schülerinnen und Schüler Texte und Motive des Wandbilds ergänzen (z.B. durch Übersetzungen), wie auch Lehrerinnen und Lehrer diese Fläche zu Unterrichtszwecken temporär nutzen können. Hierfür können einfache, handelsübliche Magnete verwendet werden (siehe Materialprobe). Nach Absprache können auch Teilflächen der Kopfwände so beschichtet werden.
Insgesamt erhält der Raum die Atmosphäre eines Laboratoriums, in dem kombinierbare und aufeinander beziehbare Elemente nach neu zu findenden Ordnungen unterschiedliche Unterrichtsformen ermöglichen. Die Grundrisse demonstrieren, dass auch im kleinen Gruppenunterricht nicht benötigte Möbel – beiseite gestellt – nicht aus dem Raum entfernt werden müssen. Die Unterrichtsform kann somit an der Klassenstärke ausgerichtet werden.
vote and voices
Unsere Installation "Vote & Voices" knüpft an der Arbeit "Suitable Work" von 2000 an, in der wir uns mit Arbeitskleidung auseinander gesetzt haben. Der Uniformisierung und Anonymisierung von arbeitenden Menschen durch vereinheitlichte Kleidung hatten wir deren Kommentare und die kritischer WissenschaftlerInnen und TheoretikerInnen entgegen gestellt; Statements, die sich mit der Arbeitswelt, ihrer Vermarktung und der Neoliberalisierung schlechthin befassen. Diese Kommentare waren als gestalteter Textbeitrag auf der entsprechenden Kleidung aufgebracht.

Die Tatsache, dass SchülerInnen und StudentInnen in Japan üblicherweise uniformiert sind, sowie die Tatsache, dass die Ausstellung auf dem Campus und in den Räumen einer ehemaligen Universität stattfindet, gab uns Anlass, unsere Untersuchungen und Beobachtungen zur Verwendung von Uniformen fortzuschreiben. Dabei ist interessant, dass die klassische Form der japanischen Schuluniform eine Anleihe kaiserlich-deutscher Marineuniformen (für Kinder) von etwa 1890 darstellt. Bei der Hinterfragung dieser Tradition schien es uns angebracht, nach der Repräsentationsform zu forschen, durch sich der heutige Gebrauch der Schuluniform rechtfertigt: immer noch die der herrschenden Ordnung! Also repräsentieren uniformierte SchülerInnen paradoxerweise mittlerweile die Demokratie! Deren Legitimation findet indes bei Wahlen statt und fast zeitgleich wurden aus vergleichbarem Anlass sowohl in Japan als auch in Deutschland Parlament und Regierung neu gewählt. Wahlparolen geben dabei die Ziele, Versprechungen und Konzepte derer wieder, die die Macht erringen wollen und die Demokratie fortsetzen. Aus diesem Grund und mit der Feststellung, dass Schuluniformen eben auch Arbeitskleider darstellen, tragen die von uns bearbeiteten nun die aktuellen Wahlslogans der japanischen und der deutschen Parteien, im Wissen, dass ein derart medialisierter und präsenter Machtwille in nicht allzu kurzer Zeit der dann aktuellen Politik zum Prüfstein werden wird. Den SchülerInnen also die Macht! Ergänzt wurde dieses Material durch Icons von Parteien und Firmen, solchen aus Comics und Mangas sowie wissenschaftlichen Flowcharts zu vergleichbaren Themen.

Im Oktober/November 2008 haben wir die Installation anlässlich der Ausstellung „#1 oqbo-Erzeugermarkt“ in Berlin ergänzt und mit Basecaps, beschriftet mit Parolen und Symbolen aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2008, sowie kontextuell dazu passenden Slogans aus der deutschen Wahlwerbung bis 2008 erweitert. Die retrospektive Überprüfung der drei Jahre alten und bereits verwendeten Slogans ergab dabei keinen nachhaltigen Effekt: sie waren noch nie mit Inhalt gefüllt. Der im amerikanischen Wahlkampf 2008 zentrale Begriff „Change“, Wechsel oder Wende, taucht bereits seit 1994 in deutschen Wahlkämpfen in unterschiedlichen politischen Lagern immer wieder auf.
http://www.mc-mk.de/projects/vote/index.html
http://www.mc-mk.de/projects/suitable-work/index.html
Eckdaten
www.mc-mk.de
Installation, Medienkunst, Konzeptkunst, Fotografie