Helmut & Johanna Kandl

Für das Akzent Theater entstanden von 2006 – 2016 immer wieder Arbeiten, die wir hier zusammenfassen. Das Theater Akzent der Arbeiterkammer, der gesetzlichen Vertretung der Arbeitnehmer in Österreich, wurde 1989 gegründet. Es ist ein Haus ohne eigenes Ensemble mit wechselndem Programm; Theater, Konzerte, Kabarett, Kinderveranstaltungen, Lesungen aber auch interkulturelle Programme werden geboten. Die Programmierung fokussiert auf aktuelle gesellschaftliche Themen. 2006 entstand die Gestaltung des „Eisernen Vorhangs“ (der „Eiserne Vorhang“ ist eine feuersichere Wand, die im Falle eines Brandes geschlossen werden kann) Das Projekt verbindet Malerei mit einer Videoprojektion. Beide gestalterische Elemente zeigen etwas, das man üblicherweise als Theaterbesucher_in nicht sieht. Das Video Backstage, schwarz-weiß und ohne Ton, ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen – auf die Technik, den Putztrupp, die Arbeit im Büro … Die Bemalung des Vorhangs zeigt stilisiert eine Bühne, zitiert Regieanweisungen und schafft damit schon vor der Vorstellung Theateratmosphäre. https://www.akzent.at/home/presse/allgemeines/262/Der-Eiserne-Vorhang,https://www.akzent.at/home/backstage/kunstprojektehttps://www.yumpu.com/de/document/view/7332708/text-brigitte-huck-backstage-wer-hatte-sich-theater-akzent 2016 wurde die Bitte an uns herangetragen, ein neues Video für den „Eisernen Vorhang“ zu schaffen. Wir haben das Video ROLLENSPIEL für den „Eisernen Vorhang“ gemacht. Beim partizipativen Projekt ROLLENSPIEL stehen die Mitarbeiter_innen des Theaters Akzent im Mittelpunkt: aber nicht Schauspieler_innen, sondern Techniker_innen, Büroangestellte, Reinigungskräfte. Sie alle wünschen sich, eine Figur auf dem Theater darzustellen – und in diese verwandeln sie der Fundus der Bundestheater und die Maskenbildnerin: Plötzlich tanzt eine berückend schöne Carmen mit blitzenden Augen auf ihrem Schreibtisch, die Computermaus als Kastagnette verwendend; und ein Theaterdirektor wird zum geheimnisvollen Oberon. Michi Klar hat eine eigene Klaviermusik komponiert, die in einem Take aufgenommen wurde. Das Video wird vor der Vorstellung auf den geschlossenen Eisernen Vorhang projiziert. https://www.akzent.at/home/backstage/kunstprojekte 2011 entstanden die Motivspiegel für den Gang um den Theatersaal. Dadurch wird der Raum optisch vergrößert, und die händisch in verschiedenen Farben hinter Glas gemalten Zitate aus Theaterkritiken bzw. aus belletristischer Literatur, in denen Theateratmosphäre die Handlung entscheidend prägt, korrespondieren mit den Texten des Eisernen Vorhangs.

Helmut & Johanna Kandl MIT VORSATZ Museumsquartier, Wien, 2013 Auftraggeber MUQUA Wien Die LITERATURpassage ist eine der künstlerischen Themen- passagen des MuseumsQuartiers, die als offen begehbare Minimuseen das inhaltliche Spektrum des Areals erweitern. Die Vorgabe war, eine künstlerische Arbeit/Wandmalerei zu machen, die auf Literatur bezugnimmt, aber keine Schrift zeigt. Ausgegangen bin ich von den VORSATZPAPIEREN, die bei der Bindung von Büchern noch bis in die 1920er-Jahre eine große Rolle spielen. VORSATZPAPIERE verbinden den Kern des Buches (Buchblock) mit dem Einband (Buchdecke). Oft waren Vorsatzpapiere Alaun- papiere, deren Muster aufgrund der Nicht-Mischbarkeit von verschiedenen Substanzen entsteht, also „Originale“. Die Ausführung erfolgte auf Wunsch des Auftraggebers mit anorganischen Keimfarben und ist 2024 in perfekten Zustand. Mitarbeiter: Domenico Mühle, Reinhold Zisser, Stephanie Kaiser, Christoph Srb und Stefanie Kägi.

http://www.waechterhaus.at/home.php?il=3 Helmut & Johanna Kandl¬ Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. (Primo Levi) Die Ruine des WÄCHTERHAUSES steht in der Mitte des kleinen Ortes Aflenz bei Leibnitz. Sie ist ein ungewöhnliches Überbleibsel des Lagers Aflenz (oder Lager Graz-Leibnitz, wie es in der Diktion des 3. Reichs hieß). Sie hat überlebt, dank Schlamperei und Irrtum, als zwar überwuchertes, aber widerspenstiges Mahnmal gegen das Vergessen, als einziges auf-fälliges noch erhaltenes Zeichen dieses Außenlagers des KZ Mauthausen. Die Ruine bleibt konserviert erhalten, wir entfernten teilweise Bäume und Gewächse, um den Verfall zu verlangsamen. Über das Dach setzten wir die Beschriftung WÄCHTERHAUS in großen orangeroten Lettern, Schrifttype „Futura‟. Wir wollen uns nicht mit Gedenken begnügen, die geschehenen Verbrechen aber auch nicht relativieren und haben uns bei unserem Gedenkort auf Primo Levis Zitat berufen. Das wichtigste beim Projekt WÄCHTERHAUS ist für uns der im Inneren der Ruine an der Wand angebrachte Screen, auf dem wir Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart thematisieren, also Verstöße gegen die Regeln, die sich die internationale Gemeinschaft, 1948, drei Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, mit der als Menschenrechtserklärung bezeichneten Resolution 217A aufgestellt hat. Für das WÄCHTERHAUS Screen-Magazin arbeiten wir mit Menschenrechtsorganisationen, NGOs, einem Zeithistoriker und verschiedenen Künstlern zusammen. Das Wächterhaus soll ein Symbol des „Wachsam sein‟ werden, es sollen Rassismen und Ungerechtigkeiten und problematische wirtschaftliche Abhängigkeiten aufgezeigt werden, die hier und jetzt passieren. Die Arbeit ist ein „work in progress‟, das WÄCHTERHAUS-Magazin wird immer wieder neu redigiert. Die Problematik der Relativierung ist uns bewusst, wir möchten aber auch auf das langsame, damals von vielen belächelte Erstarken des Faschismus in den 20er Jahren und auf die Gefahr der Verharmlosung von „Altmänner-gerede‟ und „Lausbubenstreichen‟ hinweisen – denn für beides braucht es ein politisch bedenkliches Klima. Derzeit arbeiten wir an einem neuen Screenmagazin, das im Frühjahr 2023 präsentiert werden wird. Ein Beitrag für unsere eigene Sensibilisierung – denn wie Primo Levi sagte: Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.